5. Etappe – Wir nehmen uns vor:
Samstag, 14.9.2013, Wettervorhersage: wenige und leichte Schauer in der Früh, ab Mittag strahlender Sonnenschein, passt genau – ein paar Tropferl vielleicht im Zentralfriedhof, danach werden wir ohne Stress schauen, wie weit wir in die Lobau kommen, wir müssen nur auf eine einzige Sache achten: bei einem Etappenziel fahren keine öffentlichen Verkehrsmittel, aber so weit werden wir sowieso nicht kommen.
So läuft´s tatsächlich:
Die S-Bahn fährt um 10:45 nach Zentralfriedhof, ich bin schon gegen 10:15 in Wien Mitte, denke J, kommt wahrscheinlich gegen 10:44:52 und gehe noch zum Frisör, bin um 10:20 wieder fertig, mein Telefon läutet – J. ist bereits da, ja was ist da passiert? Nur – weg kommen wir natürlich noch nicht, wir müssen ja auf die S-Bahn warten.
Wir kommen sehr rasch in den Zentralfriedhof, gehen nicht direkt auf unser Ziel zu, sondern sehen uns noch einige Gräber an, ich denke, ich werde einmal an einer Führung durch den Zentralfriedhof teilnehmen, da gibt´s viel zu sehen. Interessant passend dazu der dezente Regen, der uns entlang der Gräber begleitet.
Wir verlassen den Friedhof und marschieren einen schmalen Weg zwischen Friedhofsgärtnereien entlang, Ostblockcharme und irgendwo im nirgendwo ein Schild „Kinderparadies“ – Paradiese sehen anders aus. Das Wetter wird besser, aber weit entfernt von Sonnenschein.
Weiter geht´s durch Kaiserebersdorf, es wird immer eigener, ich stelle Vergleiche mit meinem Urlaub in Bulgarien etwa ein Monat davor an, wo man Ostkultur erwartet und geliefert erhält – Kaiserebersdorf ist „noch viel östlicher“ – alte Wohnblöcke, sichtlich mitgenommen – Garagen mit gefühlten 1,70 Meter Höhe und einer fetten Betondecke darüber, wo man glauben kann, die bricht jeden Moment zusammen, beklemmend. Man könnte meinen: „Die Vergessenen der Stadt Wien“.
Ein kleines Stück weiter – Kleingartencharme – aber was für einer, Häuser direkt unter der Autobahn und ein Haus schießt den Vogel ab – der etwa 10 x 10 Meter große Garten ist besetzt von einem Hochspannungsmasten….. hier stellt sich die Frage: wer oder was war zuerst hier, denn, wenn es nicht die Häuser waren, frage ich mich schon, was Menschen veranlasst, sich hier anzusiedeln.
Jetzt kommen wir zu einem meiner Lieblingselemente – dem Wasser. Überqueren des Donaukanals, rauf auf das Kraftwerk Freudenau, hier schauen wir ein paar Ruderern und den Vögeln zu – Reiher, Raben und Möwen jeweils in vogelethnischer Gruppenbildung. J. sagt zu mir: „Tu was, ich möchte, dass die Möwen fliegen und ich sie filme“. Ich klatsche laut in die Hände und die Möwen fliegen. „Jetzt doch noch nicht, ich bin ja noch nicht bereit, tu was, damit sie sich wieder formieren“ klagt J., die Möwen formieren sich wieder, aber weit weg von uns.
Wir haben heute ein tolles Tempo drauf, die Donauinsel bis zur Steinspornbrücke haben wir schnell erledigt, von dieser Seite sehen wir am anderen Ufer die „Safari Lodge“ – bis wir direkt davor stehen, streiten wir über die Farbe dieses Hauses, J. versteift sich auf rot, ich sage orange. Wer J. kennt, weiß, auch wenn das Haus jetzt grün wäre, würde er sein erstgenanntes rot verteidigen 😉 Wir sind noch nicht übereingekommen, was jetzt stimmt.
Beim roten Hiasl gibt´s Lunch. Wanderlunch. Schnitzel mit Spritzer. Essen ist gut, die Tür geht auf, ein Pärchen kommt herein, die Frau telefoniert mit dem Tablet – ein witziges Bild, wir lachen, am Nebentisch sitzt ein Pärchen auch bei Schnitzel, schütteln den Kopf, er sagt zu uns rüber: „Wissen´s, mir san aus Hollabrunn, mir san heit do einagfoan und om Stodtonfong san Tofen, wo steht: Wien ist anders, do sicht mas“
Nach der Labung geht´s weiter, ab in die Lobau, in den Nationalpark Donauauen. Hier sind relativ viele Menschen unterwegs, wir gehen und gehen, bis wir es uns bei einem Wirtshaus, das natürlich zu hat, auf einem Tisch gemütlich machen und das Fläschchen leeren. Dazu regnet es leicht. Wie wir fertig sind, hört der Regen auf, wir wandern weiter. Wir sehen Moore, Schilf, Badelacken, eine Schildkröte – Natur pur in der Lobau, was ich in einem Nationalpark nicht erwarte, sind Schienen und kultivierte Äcker, warum gibt es die dort? Ein paar Läufer kommen uns immer wieder entgegen.
Wir gehen und achten nicht so ganz auf den Plan, folgen unaufhörlich unseren Markierungen (in der Lobau war wieder ein ganz ein braver Markierungsmensch unterwegs) bis wir der Meinung sind, dass wir schon sehr lange gehen, analysieren den Plan, fragen dann aber doch einen Wandersmann, der uns erklärt, dass wir bereits die nächste Etappe gehen. Da wir niemals zurückgehen, gehen wir natürlich diese Tour weiter – die selben Läufer wie vorher kommen uns wieder entgegen???
Total schön, zum Etappenende gehen wir über eine Holzbrücke, danach ein verlassenes Chinarestaurant, es fühlt sich an wie in einem Indiana Jones Film, ein asiatischer Tempel, verwuchert, verwachsen, es fehlen nur noch die Bösen (falls wir die Guten sind) und ein paar Äffchen.
Hier wollten wir am Anfang des Tages gar nicht sein, hier ist auch das Etappenziel, wo kein öffentliches Verkehrsmittel fährt! Zwei Gassen weiter wohnt mein Bruder, den wir bei der nächsten Tour als Labestelle eingeplant gehabt hätten, wir gehen natürlich hin, er muss uns ja sagen wo die nächste Öffistation ist, vielleicht stauben wir auch einen Spritzer ab. Niemand zu Hause. Ich rufe Ihn an, seine Frau erklärt mir telefonisch den Weg zum Bus. Wir schaffen noch fast die Hälfte der nächsten Etappe, dann haben wir uns im Gasthaus Kaffeemühle noch einen Spritzer verdient.
Wir rechnen nach: 24 Kilometer – Wahnsinn – RundUmWien Rekord von uns, nicht beabsichtigt. Zwei Drittel des Weges absolviert. Ich spüre Blasen an beiden Füssen. Wir fahren trotzdem noch in den Resselpark zum Buskersfestival. Die nächste Runde dann im Oktober.
Conclusio:
neue Schuhe vorher „eingehen“, ich will nicht nach Kaiserebersdorf ziehen, es haben kaum Wirtshäuser offen, wir sollten sorgfältiger auf den Plan schauen